Es wird also nach menschlichem Ermessen wieder mal nicht
reichen. Wenn nicht ein mittelgroßes Wunder vom Millerntor passiert, das größer
wäre als der Aufstieg 2001 oder dasjenige vielzitierte von Bern, finden wir uns
im nächsten Jahr wieder im Mittelhaus des bezahlten Fußballs wieder. Da freuen
wir uns dann schon mal wieder auf Besuche an der Ostsee und in der Welfenstadt.
Angesichts dieser Tatsache ist es müßig, schon wieder etwas zur Statistik gegen
den heutigen Gegner zu schreiben, das ist von mir hinreichend und oft getan
worden. Ich will mich statt dessen auf die Suche nach den Gründen machen, die
vielleicht zu dem Abstieg geführt haben könnten.
Zum Ende der Hinrunde sah ja alles noch ganz gut aus. Platz 15, 17 Punkte. Allerdings, nach menschlichem Ermessen lag damals hinter uns zumindest eine Mannschaft, von der man wusste, dass sie in den letzten Jahren gerne mal einen schwachen Saisonstart hin- und dann nach der obligatorischen Trainerentlassung gern auch mal zulegte: Und siehste, der VfB Stuttgart, 17. der Vorrundentabelle ist 6. in der Rückrunde. Einen Platz dahinter in der Rückrundentabelle stehen die Kölner, die zum Ende der Hinserie noch 16. gewesen waren. Die haben also beide zulegen können, wir haben abgebaut.
Na gut, da kann man natürlich die
unglaubliche Seuche unserer Verletzungen anmerken, die unsere Abwehr in der
Rückserie entscheidend geschwächt hat. Kann ich sagen, ja aber... natürlich,
schaut man sich die Stammformation aus dem 1. Spiel gegen Freiburg an:
Hain
|
Rothenbach
|
Zambrano
|
Thorandt
|
Oczipka
|
Und dann die aus den letzten Spielen
Pliquett/
Kessler
|
Lechner/
Bartels
|
Eger/
Gunesch |
Thorandt
|
Gunesch/
Kalla / Lechner
|
Dann ist das sicher auch schon eine große
Schwächung, wenn man in der Bundesliga quasi wieder mit der Abwehrformation aus
der Regionalliga anfangen muss. Eger hatte in der Aufstiegssaison gerade mal 3
Spiele, Lechner 14, Kalla 8, Gunesch immerhin 21. Da ist nach dem Aufstieg auch
relativ wenig nachgebessert worden. Vor allem auf der rechten Seite nach dem
Ausfall von Rothenbach. Ein Moritz Volz war leider nie eine echte Alternative
und auch niemand sonst. Bartels machte seine Sache zuletzt nicht schlecht, aber
mal ehrlich, als Rechtsverteidiger hatten wir den nicht eingekauft. Wobei ein
echter Knackpunkt vielleicht wirklich der Ausfall von Oczipka war, dessen
Qualitäten ja eindeutig in der Vorwärtsbewegung lagen. Mit ihm holten wir 22
Punkte, ohne ihn waren es dann nur noch 7 (wovon sechs auf den Derbysieg und
den Sieg gegen Gladbach entfielen). Ja, man kann sagen, wir kassieren zu viele
Gegentore. 30 waren es in der Hinserie (damit Tabellen 14.), 26 in der
Rückrunde; mit letzterem Wert sind wir das schlechteste Rückrundenteam. Nur in
zwei Spielen in der Rückrunde kamen wir ohne Gegentor aus, darunter u.a. beim
Derbysieg gegen den HSV, dem auch nicht wenige die Schuld an der Misere
zuschreiben. Vorher waren wir nämlich noch ungeschlagen die beste
Rückrundenmannschaft, wobei klar sein durfte, dass wir das Niveau nicht hätten
halten können.
Brotlose Kunst?
Allerdings, wenn man sich schon die
Hinrundentabelle anschaut, fällt auch noch ein weiteres Manko auf und das
könnte uns am Ende eher das Genick gebrochen haben:
Stani war ja stets ein Verfechter einer
offensiven Ausrichtung; lieber 5:3 als 0:0, hatte er mal gesagt – ist ja auch
mehr Spektakel. Nur, wenn ich denn diese drei Gegentore kassiere (und das haben
wir achtmal diese Saison bisher), dann sollte ich auch meine fünf Treffer
erzielen. Wir haben in der Hinrunde in 17 Spielen nur 16 Tore gemacht; haben in
sieben Spielen gar nicht getroffen und waren damit der schwächste Sturm. Und
was wir in der Rückrunde an Kisten gemacht haben (17 – damit sind wir
Tabellenelfter) reicht halt nicht, um das Mehr an Gegentoren zu kompensieren.
Das Dilemma eines Marius Ebbers ist ja leider hinlänglich bekannt. Keine
Ahnung, woran es liegt – in der 2. Liga haut er die Dinger für seine jeweiligen
Vereine rein, wie es nur geht, sobald er in der ersten Liga spielt, ist das Tor
plötzlich nicht mehr sein Freund. Bitte nicht falsch verstehen, ich will kein
Ebbe-Bashing betreiben, das hat mit vielen Faktoren zu tun, aber letzte Saison
waren es halt 20 Buden, diese Saison nur DREI. Aber auch die anderen
Offensivkräfte dürfen sich da an die Nase gepackt fühlen: Hennings (9 – 0), Naki
(7 – 1), Takyi (8 – 4), Kruse (7 - 2). Wenn der beste Torschütze eines Vereins,
in diesem Falle Asa, erst auf Platz 37 im Liga-Ranking auftaucht und dann erst
wieder einer auf Platz 62 (Lehmann und Takyi) kommt, dann ist das deutlich zu
wenig. Nun waren in der ersten Liga auch keine 72 Tore zu erwarten, aber 33
sind halt weniger als die Hälfte und halt nicht genug, um die Klasse zu halten.
Nur Frankfurt hat da weniger.
Da kann man denn vielleicht schon mal die Spielphilosophie kritisieren. Ich hätte mir in manchem Spiel ein verdammtes Unentschieden gewünscht oder einen dreckigen 2:1 Sieg, statt sehenden Auges weiter nach vorne zu rennen und damit in das Gegentor, das uns so viele Punkte gekostet hat. Neinneinnein, jetzt bloß nicht die alten St. Pauli Tugenden beschreien, wir haben ja jetzt Spektakel und Event. Nur leider nicht am Millerntor. Das ist scheinbar keine Festung mehr; obwohl wir ja diese Saison kein „unechtes“ Heimspiel und auch kein Geisterspiel hatten – wir sind mit einer Bilanz von 4-3-9 schlechtestes Heimteam der Liga. Vier Heimsiege, davon zwei in der Hinserie (das 3:2 gegen Nürnberg und das 1:0 gegen Lautern) und zwei in der Rückserie (das 3:0 gegen das schwächste Auswärtsteam der Liga aus der Domstadt und das 3:1 gegen Gladbach – das war das letzte Spiel von Trainer Frontzek).Selbst in der Aufstiegssaison hatte z.B. Düsseldorf zu Hause mehr Punkte geholt als wir, da haben wir den Aufstieg quasi durch unsere Auswärtssiege klar gemacht. Gut, die haben wir diese Saison auch nicht geholt, aber es sind auswärts bislang genau so viele wie zu Hause. Haben wir vielleicht mit alten Steinen und Containern auch ein wenig von dem alten Geist entsorgt? Businessseats und Kurzpässe statt Holzbänke und Blutgrätschen?
Da kann man denn vielleicht schon mal die Spielphilosophie kritisieren. Ich hätte mir in manchem Spiel ein verdammtes Unentschieden gewünscht oder einen dreckigen 2:1 Sieg, statt sehenden Auges weiter nach vorne zu rennen und damit in das Gegentor, das uns so viele Punkte gekostet hat. Neinneinnein, jetzt bloß nicht die alten St. Pauli Tugenden beschreien, wir haben ja jetzt Spektakel und Event. Nur leider nicht am Millerntor. Das ist scheinbar keine Festung mehr; obwohl wir ja diese Saison kein „unechtes“ Heimspiel und auch kein Geisterspiel hatten – wir sind mit einer Bilanz von 4-3-9 schlechtestes Heimteam der Liga. Vier Heimsiege, davon zwei in der Hinserie (das 3:2 gegen Nürnberg und das 1:0 gegen Lautern) und zwei in der Rückserie (das 3:0 gegen das schwächste Auswärtsteam der Liga aus der Domstadt und das 3:1 gegen Gladbach – das war das letzte Spiel von Trainer Frontzek).Selbst in der Aufstiegssaison hatte z.B. Düsseldorf zu Hause mehr Punkte geholt als wir, da haben wir den Aufstieg quasi durch unsere Auswärtssiege klar gemacht. Gut, die haben wir diese Saison auch nicht geholt, aber es sind auswärts bislang genau so viele wie zu Hause. Haben wir vielleicht mit alten Steinen und Containern auch ein wenig von dem alten Geist entsorgt? Businessseats und Kurzpässe statt Holzbänke und Blutgrätschen?
Das Spiel dauert 90 Minuten
Es beginnt mit der ersten und endet mit der
90sten plus Nachspielzeit, wenn nicht ein dämlicher Becherwerfer es vorzeitig
beendet. Es ist Aufgabe des Trainers, die Mannschaft auf diese 90 Minuten
einzustellen, sozusagen einen „Gameplan“ bereit zu haben. Offensive Aufstellung
und Hurra-Stil; dass es da dann an der Effektivität mangelte, haben wir ja
schon gesehen. Vier Tore hat St. Pauli in den ersten 20 Spielminuten erzielt,
aber neun Gegentore bekommen und wenn wir hinten lagen, hat das zu acht
Niederlagen geführt. Wenn wir in Führung lagen nach 20 Minute, sprang nur ein
Sieg heraus (das war das ergraupelte 1:0 gegen Hannover im Oktober).
GT in den ersten 20
|
S
|
U
|
N
|
9
|
1
|
|
8
|
Eigene Tore
|
|
|
|
4
|
1
|
1
|
2
|
Schlimmer ist allerdings die Bilanz nach
hinten raus:
GT in den letzen 15
|
S
|
U
|
N
|
13
|
1
|
1
|
11
|
Eigene Tore
|
|
|
|
7
|
Iii
|
I
|
|
13 Gegentore waren es in den letzten 15
Minuten in dieser Spielzeit; dem stehen nur sieben eigene Tore in der letzten
Viertelstunde gegenüber (von denen allein drei auf das erste Spiel in Freiburg
entfielen). Das brachte uns drei Siege und zwei Unentschieden ein. Aber die
„Last-Minute-Gegentore“, das ist auch schon vielfach in der Presse thematisiert
worden, haben uns eindeutig das Genick gebrochen. Es gibt halt solche Spiele
wie das 0:1 gegen Hannover, die eindeutig nicht verloren gehen dürfen oder die
Spiele in Hoffenheim und Wolfsburg, die nicht unentschieden enden sollten. Da
kann man getrost des Trainers offensive Ausrichtung kritisieren, denn wenn er
eine Viertelstunde vor Schluss die Auswahl hatte, offensiv oder defensiv zu
wechseln, dann entschied er sich zumeist für die offensive Variante. Wenn ich
z.B. gegen Wolfsburg 2:1 in Führung liege, muss es dann als letzter Wechsel
Ebbers oder darf es auch mal ein Schultz sein. Oder damals, beim Heimspiel gegen
den HSV – 77. Minute in Führung gegangen; der HSV wechselt in der 80. Minute
zweimal offensiv; bei uns kommt in der 84. Minute Kruse für Naki und in der 88.
Minute fällt der Ausgleich. Hätte es auch da ein wenig mehr Beton sein dürfen.
Auch da saßen ein Timo Schultz und ein Fabio Morena auf der Bank. Manchmal muss
es auch das vorhandene Offensivpersonal richten und manchmal darf es auch nur
ein Punkt sein. Hätte auf jeden Fall geholfen. Wie gesagt, ich will keine alten
St. Pauli Tugenden bemühen. Wie zum Beispiel das gute alte „nüüüman siecht am
Millernddor“. Schwächstes Heimteam der Bundesliga waren wir diese Saison. Die
Heimspiele gegen Hoffenheim (0:1), gegen den HSV (1:1), gegen Leverkusen (0:1),
gegen Freiburg (2:2), gegen Hannover (0:1) und gegen Stuttgart (1:2) hätten
sicher anders laufen können. Das wären, wenn die letzten Gegentore nicht
gewesen wären, ein wenig Cleverness hinzugekommen wäre UND man sich vielleicht
mit EINEM Punkt zufrieden gegeben hätte, ACHT Punkte mehr gewesen. Und damit
auch vielleicht SECHS Gegentore weniger. Nur mal so exemplarisch.
Wobei,
das Leben ist kein Konjunktiv. Natürlich ist nicht messbar, was wir, wenn wir
das, was wir offensichtlich falsch gemacht hatten, anders gemacht hätten,
erreicht hätten. Na gut, für Wunder sind wir zwar noch immer gut, aber das
müsste ja wohl, wie schon geschrieben, noch ein Mega-Wunder werden. Also grüßen
wir Schweinstuber, Robbery und all die bajuwarischen Mega-Stars zum Abschied.
Die verpassen wohl gerade die Fleischtöpfe der Champions-League und dürfen sich
dann nächste Saison mit den Mini-Würschteln aus der Euro-League begnügen, dem
gewesten UEFA- oder von Kaiserfranz so geschimpften Cup der Verlierer. Das
kennt man als Bayern-Superstar der heutigen Zeit ja nun gar nicht mehr. Also,
schenken wir den Bayern bitte nochmals einen ein, damit wir uns rechtschaffen
verabschieden von unserem Jahr-100-Abenteuer. Hat ja hoffentlich genug Geld in
die Kasse gespült mit Merchandising und spart auch Geld mit dem Nicht-Auszahlen
von Prämien. Verabschieden wir uns würdevoll von unserer
Spieler-Praktikant-Manager-Trainer-Ikone Holger Stanislawski und all jenen, von
denen wir noch gar nicht wissen, dass sie uns auch verlassen werden. Das wird
nach menschlichem Ermessen Matze Hain sein, der seine Karriere beendet – Kess
wird wohl seine Option ziehen, um mit Köln weiter erste Liga zu spielen und
Leverkusen wird sich wohl Bastian Oczipka zurück holen und Richie vielleicht an
einen anderen Erstligisten ausleihen. Die Verträge von Flo Lechner, Marcel
Eger, Timo Schultz und Max Kruse enden mit Ablauf der Saison. Und wir werden
einen neuen Trainer bekommen (müssen). Wieder mal etwas größere Umbrüche. Und
wenn ich jetzt mal wieder den Konjunktiv bemühen möchte, dann wäre es natürlich
schön, wenn wir den direkten Wiederaufstieg schaffen würden. Vielleicht ist es
aber auch besser, Wunden lecken, konsolidieren. Das magische Wort lautet
Nachhaltigkeit; bloß kein Krampf. Da sind nun die Verantwortlichen gefragt, und
ich bin gespannt, wen wir im Sommer und im ÜS 104 begrüßen dürfen.
Anm.: der Artikel wurde nach dem Bremen-Spiel verfasst; insofern stimmen nicht mehr
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