POLEN
FIFA-Weltrangliste
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65.
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UEFA-Koeffizient (Platz)
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24.
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EM-Titel
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keiner
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EM-Teilnahmen bisher
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2008
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EM-Qualifikation
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Gastgeber
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Rekordspieler
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Michael Zewlakow (102)
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Rekordtorschütze
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Wlodzmierz Lubanski (48)
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EM-Spiele gg GER
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2008:
0:2 (Vorrunde)
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Die EM 2012 ist immerhin das zweite
europäische Turnier in Folge, an dem Polen teilnimmt. Ob das jedoch auch ohne
die Gastgeberrolle gelungen wäre, darf zumindest bezweifelt werden, denn für
die WM 2010 war die Qualifikation nicht gelungen, da landete man relativ
kläglich auf Platz 5 in einer Gruppe hinter der Slowakei, Slowenien, Tschechien
und Nordirland und vor San Marino. Und es ist auch die zweite EM erst
überhaupt, an der Polen in der Endrunde teilnimmt.
Die polnische Mannschaft dürfte eine
rechtschaffene Wundertüte sein; die meisten Spieler verdienen zwar inzwischen
ihr Geld im Ausland, darunter sind auch drei aktuelle deutsche Meister (Kuba,
Piszczek und Lewandowski). Aber, mal abgesehen von Lukasz Fabianski und
Wojchiech Szczesny, Ersatztorleute bei Arsenal London, sind das doch eher nicht
die allerbesten Adressen in Europa.
Die große Zeit des polnischen Fußballs
liegt schon relativ lange zurück:
1972 wurde die Mannschaft aus
„Staatsamateuren“ Olympiasieger und sorgte auch bei der WM 1974 für Furore, als
man erst durch die „Wasserschlacht von Frankfurt“ gegen Deutschland das Finale
verpasste und letztendlich Dritter wurde.
Vier Jahre später reichte es ebenfalls für
die zweite Finalrunde, aber dort nur zu einem Sieg gegen Peru – 1982 wurde man
erneut Dritter (3:2 gegen Frankreich), nachdem man das Halbfinale gegen den
späteren Weltmeister Italien 0:2 verloren hatte.
1986 reichte es mit einer überalterten
Mannschaft gerade noch zum Achtelfinale, dann war erst mal Funkstille für 16
Jahre.
Die Ausrufung des Kriegsrechts 1982 lähmte
den polnischen Fußball; Spieler, die ins Ausland gingen, liefen nicht mehr für
ihr Land auf – und mit der Demokratisierung wurde es dann nicht besser. Der
polnische Fußballverband versank in einem Sumpf von Manipulation und
Korruption, für ein vernünftiges Nachwuchssystem war bei Verband und Vereinen
offenkundig kein Geld. Das befindet sich seit der Vergabe der EM 2012 an Polen
und die Ukraine (2005) gerade erst im Aufbau.
Bezeichnend für die Not Polens ist die Karriere von Emmanuel Olisadebe, geboren und aufgewachsen in Nigeria, der 1997 nach Polen kam und drei Jahre später, als 22jähriger eingebürgert wurde, um 25 Länderspiele für Polen zu bestreiten, als erster dunkelhäutiger Nationalmannschaftsspieler.
Bezeichnend für die Not Polens ist die Karriere von Emmanuel Olisadebe, geboren und aufgewachsen in Nigeria, der 1997 nach Polen kam und drei Jahre später, als 22jähriger eingebürgert wurde, um 25 Länderspiele für Polen zu bestreiten, als erster dunkelhäutiger Nationalmannschaftsspieler.
Spätestens seit 2009, als Franciszek Smuda
das Amt des Nationaltrainers übernahm, geht der Verband auch einen zweiten Weg,
der mit der besonderen Geschichte Polens zusammenhängt, vor allem mit der
gemeinsamen Geschichte Polens und Deutschlands.
Mit Miroslaw Klose und Lukas Podolski
stehen zwei Bundesligaspieler polnischer Herkunft in Reihen aktuellen der
deutschen Nationalmannschaft. Pjotr Trochowski trug das selbige Leibchen 35
mal, ebenfalls in Polen geboren. Dariusz Wosz spielte 7mal für die DDR und 17
mal für Deutschland, auch er in Polen geboren.
Smuda ist in Lubomia geboren, das ebenso
wie die Geburtsorte von Klose, Podolski und Wosz in Oberschlesien liegt, und
wie die drei besitzt er damit auch qua Grundgesetz (Art. 116) die „deutsche
Volkszugehörigkeit“ und damit auch das Recht auf die deutsche
Staatsangehörigkeit. (Für Trochowski gilt das gleiche mit dem 116, bloß daß
sein Geburtsort im ehemals deutschen Pommern liegt).
Aber mit dem Fußballdeutsch- oder Polentum
ist das ja so eine Sache...denn auch wenn die Deutschen die „Volksdeutschen“
und ihren Abkömmlingen die deutsche Staatsangehörigkeit gewähren, so sind
Oberschlesien, Pommern und Ostpreußen natürlich heute polnisches Staatsgebiet.
Und so schickte Smuda seine Scouts in alle Welt (oder zumindest nach Europa), um Stammbaumsichtung zu betreiben und sie wurden dort auch fündig:
Sebastian Boenisch, geboren 1987 in Polen, seit 1988 in Deutschland, Profi bei Werder Bremen – Eugen Polanski, in Polen geboren, in Viersen aufgewachsen, Profi beim 1. FSV Mainz 05 (spielte sogar für die deutsche U21) – Adam Matuschyk, in Polen geboren, in Merzig aufgewachsen, inzwischen Profi bei Fortuna Düsseldorf.
Und so schickte Smuda seine Scouts in alle Welt (oder zumindest nach Europa), um Stammbaumsichtung zu betreiben und sie wurden dort auch fündig:
Sebastian Boenisch, geboren 1987 in Polen, seit 1988 in Deutschland, Profi bei Werder Bremen – Eugen Polanski, in Polen geboren, in Viersen aufgewachsen, Profi beim 1. FSV Mainz 05 (spielte sogar für die deutsche U21) – Adam Matuschyk, in Polen geboren, in Merzig aufgewachsen, inzwischen Profi bei Fortuna Düsseldorf.
Alles drei „Volksdeutsche“ und jetzt
polnische Nationalspieler.
Fündig wurden die Stammbaumscouts auch in Frankreich bei Damien Perquis (FC Sochaux) und Ludovic Obraniak (Girondins de Bordeaux).
Fündig wurden die Stammbaumscouts auch in Frankreich bei Damien Perquis (FC Sochaux) und Ludovic Obraniak (Girondins de Bordeaux).
Ebenso fündig wurde man wohl in Schweden
bei Ivo Pekalski, der zwar schon für den schwedischen A-Kader nominiert war,
aber verletzungsbedingt absagte. Für den EM-Kader scheint er jedoch noch nicht
nominiert zu sein.
Die Presse nennt jene Wiedereingebürgerten durchaus skeptisch und auch etwas abfällig „Obcokrajowcy“ (Ausländer)...in Anlehnung an jene Spieler, die 1938 für Polen zur ersten WM-Teilnahme geführt hatten und dort in einem der besten Spiele der WM Geschichte im Achtelfinale 5:6 nach Verlängerung gegen Brasilien verloren.
Die Presse nennt jene Wiedereingebürgerten durchaus skeptisch und auch etwas abfällig „Obcokrajowcy“ (Ausländer)...in Anlehnung an jene Spieler, die 1938 für Polen zur ersten WM-Teilnahme geführt hatten und dort in einem der besten Spiele der WM Geschichte im Achtelfinale 5:6 nach Verlängerung gegen Brasilien verloren.
Auch damals standen im polnischen Kader
viele Spieler aus jenem geschichtsträchtigen Revier Schlesien:
Ernst Willimowski: schoß damals gegen
Brasilien vier Tore, spielte damals für Ruch Chorzow, der bis 1922 SV
Bismarckshütte geheißen hatte; unterschrieb nach dem Einmarsch der Deutschen
die Deutsche Volksliste und wechselte danach zum PSV Chemnitz. Von 1934 bis
1939 bestritt er für Polen 22 Länderspiele (21 Tore), 1941/42 spielte er
achtmal für Deutschland (13 Tore).
Friedrich Scherfke schoß ein Tor in diesem
Spiel; er stammte aus Posen und spielte für Posen, zunächst für Warta (1925 –
1939), dann für den 1. FC, der nur deutschen Staatsangehörigen offenstand (1940)
– er bestritt 12 Nationalspiele für Polen bis 1938, ließ sich auch 1939 in die
Deutsche Volksliste eintragen.
Er galt in Polen lange Zeit als Verräter und Kollaborateur, der auch mit der SS zusammengearbeitet haben sollte, doch solcherlei Vorwürfe wurden inzwischen entkräftet – vielmehr hatte Scherfke ehemalige Vereinskameraden vor Aktionen der Deutschen gewarnt und seine Kontakte genutzt, um ehemalige Mitspieler vor Deportation und Zwangsarbeit zu schützen.
Er galt in Polen lange Zeit als Verräter und Kollaborateur, der auch mit der SS zusammengearbeitet haben sollte, doch solcherlei Vorwürfe wurden inzwischen entkräftet – vielmehr hatte Scherfke ehemalige Vereinskameraden vor Aktionen der Deutschen gewarnt und seine Kontakte genutzt, um ehemalige Mitspieler vor Deportation und Zwangsarbeit zu schützen.
Der vielleicht beste polnische Fußballer
aller Zeiten entschied sich damals auch gegen das Land seiner Vorfahren:
Raymond Kopasszewski, geboren 1931 in Noeux les Mines im nordfranzösischen
Kohlerevier, wohin es ganze Generationen von polnischen Gastarbeitern damals
verschlagen hatte.
Der Fußball wurde für Raymond Ventil und Möglichkeit, der Schufterei unter Tage zu entkommen; bereits mit 11 spielte er für die Junioren, mit 14 für die Jugendmannschaft und ab 16 für das Herrenteam seines Vereins.
Der Fußball wurde für Raymond Ventil und Möglichkeit, der Schufterei unter Tage zu entkommen; bereits mit 11 spielte er für die Junioren, mit 14 für die Jugendmannschaft und ab 16 für das Herrenteam seines Vereins.
1949 bekam er seinen ersten Profivertrag
bei SCO Angers, wo es die erste Maßnahme seiner Trainers und Gastvaters war,
den Nachnamen seines Schützlings in KOPA zu ändern, weil das französischer
klang. Für die Summe von 1,8 Millionen Francs wechselte er 1951 zu Stade Reims,
mit denen er zweimal Meister und einmal Vize wurde.
Im selben Jahr nahm er die französische
Staatsbürgerschaft an und lief erstmals für die Equipe Trikolore. 1954 und 1958
führte er Frankreich zur WM; 1958 wurde Frankreichg Dritter in der Endrunde und
Kopa zum Spieler zum besten Spieler des Turniers gewählt. Außerdem wurde er
Europas Fußballer des Jahres.
Mit Stade Reims stand er 1956 im Finale um
den Europapokal der Landesmeister, den er dann, nach seinem Wechsel, mit Real
Madrid von 1957 – 1959 gewann.
Mit Real wurde er 1957 und 1958 spanischer Meister, was ihm nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1960 und 1962 mit Stade Reims erneut gelang.
Mit Real wurde er 1957 und 1958 spanischer Meister, was ihm nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1960 und 1962 mit Stade Reims erneut gelang.
Erst zu seiner goldenen Hochzeit, im Jahre
2003 betrat er zum zweiten Mal das Land, aus dem seine Vorfahren einst
ausgewandert waren; vorher war er nur anlässlich eines Freundschaftsspiels dort
gewesen. Er kommentierte die Reise lakonisch mit den Worten: „ich wäre lieber
nach Rom gefahren.“ Polen war für ihn
zeitlebends Ausland gewesen und hätte ihm nur ein Leben als „Schwarzfresse“
unter Tage geboten. Der Fußball und Frankreich hatten ihm die Möglichkeit
geboten, diesem Leben zu entkommen.
Inzwischen ermöglicht es die polnische
Staatsbürgerschaft Spielern, die sonst nicht zu solchen Ehren gekommen wären,
immerhin die Teilnahme an der Fußball EM für ihr „neues“ altes Heimatland.
Daß die polnische Mannschaft es bei diesem
Turnier weit bringen wird, darf zumindest arg bezweifelt werden; auch der
Heimbonus wird da wohl kaum weiterhelfen.
Von 13 Turnieren bisher wurden nur drei
durch die Gastgeber gewonnen, das waren 1964 Spanien, 1968 Italien und 1984
Frankreich, wobei bei den ersten beiden Turnieren eh nur vier Nationen in der
Endrunde standen. Der letzte große Erfolg einer Mannschaft im eigenen Land war
das Vordringen Portugals ins Finale 2004.
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