Dienstag, 5. Mai 2009

DIE WEHEN IN WIESBADEN


2.BL:  
SV Wehen Wiesbaden - FCSTP  3:1

Willkommen im Sommerfußball, wenn es um nix mehr geht.  Für uns zumindest; für die Wehener (oder soll man nun Wiesbadener sagen) wohl um ziemlich viel.
Aber nach Trainerrauswürfen sind wir ja (siehe 1860) der ideale Aufbaugegner.  Hätte man wissen müssen und es insofern wie die meisten anderen meiner sonstigen Begleiter machen sollen:  Grillsaison eröffnen oder nach Straßburg / Kehl reisen.  Ich hatte mich hingegen in Frankfurt mit einem Bekannten zu einem irischen Frühstück verabredet, um dann zum Spiel zu fahren. Noch zwei Stunden bis zum Spiel und die Fangemeinde des FC schleppte Alkoholika in den Regionalexpress, der ungefähr dem Bestand meines Gablenberger Getränkemarktes entsprach.  Die Zugbegleiterin betrachtete das Treiben mit einer Mischung aus Ekel und Trauer; dankte wohl in dem Moment ihren Schöpfer auf Knien, dass sie an diesem Tag in diesem Zug Dienst tun durfte.  Wiesbaden, Bebraer Barock; ein ehemaliger kleiner Park ist einem Park & Ride Parkplatz (welch Wortspiel) gewichen, ansich genauso eine Stadt, wo die Ordnungsmacht den pantoffelbewehrten Kleingartenbesitzer zu schützen vermeint, indem sie Fußballfans wie Schwerverbrecher behandelt.  Aber nix dergleichen, keine schwere Kavallerie zum Empfang; natürlich Polizei, aber die waren dem Frühling entsprechend angemessen gekleidet und super entspannt – warum ich dann das „Fan“ im Bahnhof lauthals „deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ brüllen muss, erschließt sich mir nicht (wärst du doch nach Kehl gefahr’n, du Arschloch).  Selbst die Kassiererin des Bahnhofs-Supermarktes war trotz des Assi-Verhaltens einiger unserer „Anhänger“ und trotz Sonntagsarbeit einfach nur nett.  Sowas beeindruckt mich – mein Reisebegleiter, der schon im Jahr zuvor in Wiesbaden gewesen war, hatte gesagt „ich glaub, die freuen sich auf uns“ ... scheint wohl so zu sein.  Wie gesagt:  Wiesbaden rechts des Bahnhofs ist hässlich, man marschiert durch Wohn- und Büroschluchten zum Stadion.  Mittendrin ein netter Dialog an einer Ampel:  Fan zum Polizisten:  das is doch auch mal was, oder?  Hier schön in der Sonne stehen?  Polizist zum Fan:  Naja, im Unterschied zu euch darf ich dabei kein Bier trinken.  Fan zum Polizisten mit Blick auf die Wanne:  du, mach mal euer Licht aus, sonst ist nachher eure Batterie leer, wenn ihr uns verfolgen müsst. Polizist bedankte sich höflich.  Ich finde es immer wieder erhebend, wenn ich durch unbekannte Straßen marschiere und irgendwann erheben sich die Flutlichtmasten eines Stadions oder dessen Silhouette.  So war es auch beim Einmarsch in die Berliner Straße – bloß, dass sich dort nicht nur vier, sondern sogar acht Masten erheben.  Da ist als erstes die weiße Fassade des alten Stadions des SV Wiesbaden, von fast romanisch anmutender Schlicht- und Schönheit.  Soinetwa das, was ich an der Rosenau liebe; eine echte old-School-Schüssel (so sieht das Ding auch von innen aus).  Dahinter erhebt sich dann auf einem Hügel die Brita-Arena, die Heimat des SV Wehen-Taunusstein von 1926, der ja nun SV Wehen Wiesbaden heißt.  Dessen wasserwellenbestrichene Betonfassaden aus dem Hellmich-Stadionbaukasten muten an, als ginge es hier in ein gigantisches Hallenschwimmbad.  Entspannt wie draußen ging es drinnen weiter – keinen Stress mit den Ordnern beim Einlass, Ausschank von Vollbier – ein wenig strange allerdings, wer in seinen Block will, muss sich einen Stempel abholen und den nach Verlassen bei Wiederkehr vorzeigen.  Hat was von Kinderdisco.  Überall vor und im Block wurden Zettelchen verteilt mit dem Text eines neuen Liedchens, das es in Zukunft zu singen gelte.  Darf ich anmerken, dass ich Twisted Sister nicht mag?  Vom Spiel zu berichten, hieße von zwei Minuten zu berichten:  Druck, Druck, Engagement und drin ist die Murmel.  Nach einer Viertelstunde begriff das auch der singende Schwankemann hinter mir, dass wir in Führung liegen und fragte, wer denn das Tor geschossen habe.  Der Rest ist spieltechnisch gesehen Schweigen – ich schwankte in der Bewertung zwischen „individuellen Fehlern“ und „Kollektivversagen“, tendiere aber eher zu letzterem.  Das frustet doch langsam und scheinbar nicht nur mich.  Nach dem 1:3 wurde die Stimmung im Block teilweise richtig aggressiv.  Wenn denn das Spiel schon nichts mehr hergibt, können wir uns ja immer noch mit uns selbst beschäftigen.  Twistet Sister vom Zettel absingen wie ein braun weißer Gospelchor oder uns mal gegenseitig Prügel androhen, weil einem irgendwas an irgendwem nicht gefällt.  Beides nicht mein Ding; mein old-school „wir wollen euch kämpfen sehen!“ verhallte ungehört in der Menge, aber ich glaube auch nicht, dass, wenn es die Mannschaft gehört hätte, es an diesem Tage viel geändert hätte.  Am Bahnhof beim Kollektivwarten auf die Züge noch eine unnette Begegnung mit einem Meckerbolzen, der sich vor allem über den Stadionsprecher des SVWW echauffierte , den ich nun nicht so schlimm fand. Na!!!, wo ich denn herkäme.  Ich sagte, was ja auch stimmt, dass ich in Stuttgart lebe.  Na denn hätte ich ja gar keine Ahnung, würde Rainer Wulff, die goldene Stimme vom Millerntor ja nicht kennen und hätte in sofern keine Berechtigung, ihm Widerworte zu geben. Aber nun, solle ich Depp doch bitte weiterhin zu den Auswärtsspielen reisen; er würde diesen Scheiß nicht mehr mitmachen, sondern von nun an nur noch der goldenen Stimme am Millerntor lauschen.  Soll er getrost tun; die Möglichkeit, jeden zweiten Sonntag ans Millerntor zu torkeln, ist mir leider verschlossen, deswegen fahre ich zu jenen Spielen nach HH oder auswärts, die für mich machbar sind – so hab ich ihn ziehen lassen und mir zwei Tage später mein Ticket für Nürnberg gekauft.  Trotz des ärgerlichen Endes eines netten Tages.  Bessere werden kommen ... vielleicht nicht diese Saison, aber wenn doch, ich will nicht sagen, ich wäre nicht dabei gewesen.

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