Montag, 31. März 2008

Viele Geschichten mit mehreren Titeln


was ist das eigentlich für eine blöde Übeschrift?
ich bin jetzt schon wieder etwas ruhiger, während ich diese Zeilen schreibe... hätte ich diesen Artikel am Sonntagabend noch geschrieben, wäre er ein anderer geworden und ich hatte schon massenhaft Ideen, wie ich ihn nennen wollte.
Heute versuche ich, der Sache wenigstens etwas witziges abzugewinnen, was ich an jenem Sonntagabend nicht konnte.
Ich kann mich für keinen Titel entscheiden, das möge der Leser selber tun.

Ein Tag zu Vergessen
war eine Variante in der Verlosung.
Ich hatte, das muß ich vorwegnehmen, meine Arbeitsschicht getauscht, um das Osnabrück-Spiel sehen zu können und kam so zu dem Glück, samstags bis 24 Uhr arbeiten zu dürfen...gar nicht so klug; heißt um eins zu hause und um halb sechs wieder hoch, denn Paderborn stand auf dem Programm.
Aua...viereinhalb Stunden Schlaf; „nein, dreieinhalb...du hast die Zeitumstellung vergessen“, belehrte mich eine Kollegin.
Okay, dreieinhalb – frisch und munter sieht anders aus...dich kenn ich nicht, dich rasier ich nicht...Glückstrikot an, Auswärtshose (wasserabweisend) und Auswärtsschuhe (bequem und dürfen dreckig werden...bleiben) – Krach! das war die Arschnaht meiner Auswärtshose; na, das fängt ja gut an.
Weiteres Ungemach verschonte mich...Glücksfrühstück am Bahnhof, guten Sitzplatz im Zug – okay, ich hatte das Ferienende vergessen; ab Frankfurt-Flughafen fehlte nur noch das Öl zu Sardinien, aber gut, ich steh ja auf menschliche Nähe und soziale Kontakte, sonst würde ich mich schließlich nicht in Gästefansstehplatzblocks herumtreiben.
Kassel-Wilhelmshöhe...steht ganz weit oben auf der Liste ungeliebter Bahnhöfe; ich hatte die Länge der Fahrt falsch kalkuliert, mußte also meine Biervorräte aufstocken – Hinweis für alle: NICHT in Kassel Bier kaufen, der Monopolkiosk nimmt DREI ois für eine Dose.
Kurioses am Rande...die haben natürlich auch in Kassel jene Coaching Zonen, denen man rauchen darf...allerdings stehen die Aschenbecher teilweise außerhalb der gelben Gemarkung, was mich in ziemliche Konflikte brachte.
Was soll ich nun tun
Es tauchten die ersten braun weißen Accessoires auf und ab da hatte ich dann auch nette Reisebegleitung.

Hochmut kommt vor dem Fall
Wir beide waren noch nie in Paderborn gewesen, unser Wissen beschränkte sich darauf, daß das Bier schlecht ist, die Gegend tief katholisch und die Mannschaft eine Trümmertruppe, deren Busfahrer sein Navi schon mal mit Ingolstadt programmieren sollte.
War ich abgereist mit dem Gedanken (blooß nicht verlieren), war ich bis Kassel zu dem Schluß gekommen, awas, sicherer Punkt und als wir in Paderborn ankamen, hatten wir uns auf die letztlich offene Frage geeinigt, wie hoch wir denn heute gewinnen werden.
Das war wohl auch der Grundtenor, als wir beim Stadion ankamen mit einem auf der Hinfahrt vorbildlichen Shuttle-Service.
Nur einige von unseren Assis verwechselten das ganze wohl mit einem Exploited-Konzert aus den frühen 80ern...man muß NICHT immer Bullenschweine brüllen, sobald man einen Polizisten sieht, dann kommen leider solche Sachen dabei raus, wie sie zum Schluß der Geschichte passierten.
Das Wetter war milde, das Stadion eine liebenswerte Bruchbude im Wald...ich mag sowas, ist mir lieber also solche SAGA-Pojektbauten wie in MG.
Die Fischbrötchen waren super-lecker, die Stimmung fröhlich – alle hatten große Taschen dabei, wo locker drei Punkte und viele Tore rein paßten – im Block war gute Sicht, ohne erhöhten Kuschel- und Schiebefaktor.
So hab ich’s ja gerne.

„Sie singen...warum singen sie?“
So hatte ich den Artikel nach dem Spiel nennen wollen, als ich wieder zu Hause war – das Ganze ist nicht auf die Fans gemünzt; jaja, wir singen ja immer.
Das Spiel begann – als die Mannschaftsaufstellungen verlesen wurden, hatte einer bei mir den lustigen Einfall, statt Lukas Kruse PODOLSKI zu rufen...fortan hießen alle Paderborner Spieler PODOLSKI mit Nachnamen (bis auf Erwin Koen, der ist ja Holländer, der heißt Erwin VAN Podolski).
Ein harmloser Sommerkick; wir waren besser, weil die anderen schlechter waren, was aber nicht unbedingt zu Torchancen führte...Kuru hat noch immer niemand die Abseitsregel erklärt, aber gut; senkrecht hochspringen kann er im Gegensatz zu Sako und macht das erlösende 1:0.
Ausgelassenheit in der Kurve, die knapp eine Minute lang anhielt, dann folgte ein kollektives lautes KLONK – das ist das Geräusch, wenn 2.000 Kinnladen auf Betonterrassen aufschlagen; Paderborn hatte ausgeglichen.
Nein, ansich hatte Paderborn nicht ausgeglichen – sogar A. PODOLSKI  fragte sich sekundenlang, ob er denn das Geschenk zur Kommunion annehmen dürfte.
Aus 2000 Gesichtern wich die sommerliche Farbe und plötzlich auch die Zuversicht.
Kennt einer den alten Bibelschinken Quo Vadis mit Peter Ustinov als Nero...da werden die Christen in die Arena getrieben, Löwen und Bären fallen über sie her und irgendwann
hören sie auf, wegzulaufen, ergeben sich dem Schicksal und lassen sich fressen, aber nicht ohne laut das „lobet den Herren anzustimmen“.
Daran hat Nero, selbst ja Rock-Star (oh lodernd Feuer), gar keinen Spaß, weil die Christen sangen, wo sie nicht singen sollten....wir wollen euch kämpfen sehen, statt dessen singt ihr; St. Pauli stellte quasi ab dem Zeitpunkt das Fußballspielen ein...auch nach der Pause fehlte das, was unendliche Euros ins Phrasenschwein kostet...Feuer, Leidenschaft, Wille, Kampfgeist – als hätte sich die Mannschaft seit jenem kuriosen Gegentor in ein Schicksal ergeben, mit mir den Gedanken geteilt „Scheiße, das wird hier heute nichts mehr“ als hätten sie von dem Nahtriß meiner Auswärtshose erfahren.
Total eingebrochen, nennt sowas der Fernsehkommentator und spätestens nach dem zweiten Tor von A. PODOLSKI wich auch die Zuversicht aus der Kurve.
Natürlich, wir haben angefeuert, aber wie lange schreist du rennen, wenn die unten auf dem Platz nicht mal laufen...irgendwann bleibt nur singen – und warten, bis die Löwen dich fressen.

“Macht sowas mal gegen Dresden“
Der letzte Teil der Geschichte
Ich war nach 85 Minuten abgehauen, in der Option auf einen früheren Zug; nicht mal wütend, sondern einfach nur traurig und ein wenig müde.
Gut, ich habe schon viele Spiele gesehen, bei den wir verloren habe, aber das WIE machte mich diesmal fertig.
Der Rückweg zu den Shuttles war geprägt von Schweigen und gesenkten Köpfen, wie er vor dem Spiel freudig und euphorisch gewesen war...ich schicke das nur mal vorweg, um das mir vollkommen unerklärliche Verhalten der Polizei zu beschreiben.
Auf der Hinfahrt war es schon so, daß die Polizei vor den Shuttles alle Fans mit offenen Flaschen / Dosen anwiesen: erst austrinken, dann rein in den Bus.
Im Bus öffneten dann meine Reisebegleitung und ich unsere letzte Pilsdose – sofort intervenierte eine Walküre „nicht trinken...wir haben doch gesagt, keine offenen Flaschen oder Dosen“ – Frage, äh warum – „sie wissen doch, in Bussen herrscht Verbot von Getränken und Speisen...nachher verschütten sie das, dann sind wir dreckig, der Bus ist dreckig und das wollen wir nicht,.“
Sauberkeit und Ordnung...was soll man von einer Stadt erwarten, dessen Stadion den Namen eines rassistischen, nationalistischen und frauenfeindlichen Dichters trägt.
Auf dem Rückweg dann, nach einem netten Umweg durch das schöne Paderborner Umland, wieder am Bahnhof angekommen – also gut, den Arsch verhauen bekommen, ein paar Pils für den Rückweg und ab nach Hause, Wunden lecken.
Auf dem Bahnhof hatte der Monopolkiosk geschlossen (meine Reisebegleitung hatte es noch geschafft, im Zigarettenshop die letzten Biervorräte zu plündern), ansonsten gab es nur Softdrinks und Wasser...massive Polizeieinheiten schützten die Toiletten und den Mc Donalds und vor allen die Türen – hatte ich doch vor dem Bahnhof eine Tanke ausgemacht, an der man noch andere Dinge als Zuckergebäck und Fanta hätte einkaufen können.
Also, dahin...vor dem Ausgang prallte ich auf einen grünen Kühlschrank in voller Montur (Helm, Knüppel und Knarre): „Wo wollen sie hin?!“ – naja, in die Stadt, Bier kaufen.
“das dürfen sie nicht – sie kommen hier nicht raus“ – äh, schulligung, ich muß noch eine knappe Stunde auf meinen Zug warten, da wollte ich noch was essen und was trinken.
“Dann essen und warten sie hier, auf dem Bahnhof“, sagte Polizist PODOLSKI, der Paderbornator und drängte mich zurück mit seiner breiten panzerbewesteten Brust.
Okay, ich hatte ja schon Witze über Koblenz gemacht, aber diese Geschichte war unter aller nackten Kanonen...ich weiß nicht,  wie viele St. Pauli Fans auf diesem Bahnhof eingeschlossen wurden; mein Reisebegleiter meinte nur „ey, macht das mal, wenn Dresden kommt, dann könnt ihr euch gleich einen Architekten bestellen, der euch einen neuen Bahnhof baut“, denn 2000 von denen werden sich nicht so still und schweigend in diese Situation fügen, wie unsere das getan hatten.
Lieber Polizeieinsatzchef Paderborn...Deeskalation sieht anders aus; nichts von Gewalt, nicht mal Lärm; ich hätte mich sogar mit der Dorfjugendlichkeit fraternisiert, wenn man mich gelassen hätte; schließlich hatten wir scheiße gespielt und sowas von verdient verloren und ich hätte mich mit Häme und Spott überschütten lassen.
Die Gastwirte Paderborns hätten sich über den Mehrumsatz gefreut und gebrannt hätten in der Stadt sicher nur die Kerzen in den Kommunionskichen.

Wut, Trauer und Schmerz

Von der Rückfahrt will ich wenig schreiben...wir mußten den Kasseler Wucherer wieder bemühen; hatten bis Frankfurt nur Stehplätze und redeten uns die Köpfe heiß über das, was wir an diesem Nachmittag erlebt hatten.
Wenigstens war in den Zügen nur fußballunkundiges Volk, so gab es das nicht, was ich nach Niederlagen am meisten hasse: MITLEID, was wir für ein toller Verein sind, der so tolle Fans hat – ich war an jenem Abend alles andere als toll, sondern einfach nur ein müdes Arschloch, angefüllt mit Wut, Trauer und Schmerz, das nach Hause wollte.
dort angekommen, habe ich mich dann hingesetzt und mit diesem Artikel angefangen.
Irgendwann hab ich dann das Geschriebene durchgelesen, alles gelöscht und bin schlafen gegangen – in der Erkenntnis, daß Schlaf und Distanz vielleicht die besseren Ratgeber sein mögen...wären wir gegen Freiburg bereits erschienen, hätte ich ihn zu Ende in meinen PC geprügelt – gegen Aachen ist das Schlimmste hoffentlich schon vorbei, auf daß wir den Klassenerhalt feiern mögen und von solchen Nachmittagen hoffentlich nicht mehr viele erleben mögen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen