Dienstag, 15. Juli 2008

Für ein paar Schnitzel mehr


Bokal, Bokal...nein, ich will nicht nochmal die Geschichte des wundersamen Pokalrittes des FC aus der Saison 05/06 erzählen (auch wenn Felix Luz dann sicher auch einen ÜS kaufen würde...aber das tust du ja  wohl hoffentlich sowieso, gell?) – aber das Erreichen des Halbfinales im DFB-Pokal gilt vielen jüngeren Anhängern als der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte.  Kann man so sehen, muß man aber nicht.
Sechzig Jahre ist es nun her, da konnte sich der FC St. Pauli als eine der vier besten Mannschaften Deutschlands bezeichnen, und damals war die Meisterschaft noch eine echte Ochsenmühle, denn nach der Ligasaison folgte damals noch die lokale Meisterschafts-endrunde und dann die eigentliche deutsche Meisterschaft im K.O. System.
Und wir wollen nicht vergessen, damals 1948 waren die Spieler noch keine Vollprofis, die acht Klinsmann-Stunden auf dem Fußballplatz oder in der Buddha-Lounge verbrachten, es durfte noch nicht gewechselt werden und Reisen durch Deutschland geht sicherlich heute auch etwas angenehmer.
Es war die Zeit und der größte Erfolg der sogenannten Wunderelf, die Geschichte ist inzwischen Legende...die Schlachterei von Karl Miller sen. in der Wexstraße war Anlaufstelle für Spieler vor allem aus dem Osten Deutschlands, nachdem sein Sohn, der kriegsbedingt seit 1940 für den Dresdener SC und den Luftwaffensportverein Hamburg aufgelaufen war, ans Millerntor zurückgekehrt war und den Ruf ausgebracht hatte, in Hamburg auf St. Pauli werde eine große Mannschaft aufgebaut; wohl aber vor allem 1945 eine satte.
Vor allem waren es Ex-Dresdener: Heinz Hempel, Hans Appel, Walter Dzur, Heinz Köpping, Fritz Machate (über den Umweg Bamberg) und Heinz Schaffer (auch Helmut Schön schaute mal kurz für drei Spiele in Hamburg vorbei ebenso wie Walter Böhme, der sich 47 allerdings zu Altona 93 verabschiedete), dazu kamen aus dem Osten Deutschlands Willi Thiele (SG Ordnungspolizei Chemnitz), Rolf Börner von Stahl Riesa, Jupp Famula von Beuthen 09 und Heinz „Tute“ Lehmann, ein Berliner mit dem Umweg Bremerhaven.
Außerdem hatte der FC St. Pauli seinen ersten Ausländer im Kader, den Engländer Joseph Dalton (William, Jack und Averell spielten woanders) und der Trainer, Hans Sauerwein – seit 1945 im Amt, hatte natürlich auch früher den Dresdener SC trainiert.
Wobei Sauerwein Ende 1947 auf eigenen Wunsch Hamburger Verbandstrainer wurde.  Ihn ersetzte mit Woldemar Gerschler ein ehemaliger Leichtathletik-Bundestrainer (!!!).
Echte Hamburger Jungs waren nur der zweite Torwart Delewski, Karl Miller, Urgestein Harald Stender, Kurt Köwitz und Hans Wehrmann.
Das Gros des Kaders war seit 1945 zusammen, Thiele und Famula kamen 1946 und 1947 ergänzten Dalton und Wehrmann den Kader, der vorher in der Stadtmeisterschaft Hamburg 1946 Zweiter und 1947 sogar souverän Meister geworden war, mit drei Punkten Vorsprung auf den großen HSV!!!...daß man damals in der deutschen Meisterschaft nicht weiterkam, lag an den widrigen Umständen, wenn man denn die Querelen um die Austragung der norddeutschen Meisterschaft so nennen möchte.
1947 war St. Pauli auf jeden Fall Teil der neugegründeten Oberliga Nord und begann mit einem Terror-Furioso, das erste Spiel gewann man 10:0 bei Hannover 96 und blieb acht Spieltage lang ungeschlagener Tabellenführer, ehe es gegen den HSV die erste Niederlage setzte und die Tabellenführung verloren ging – die holte man sich mit einem 1:0 beim HSV am 20. Spieltag wieder und gab sie auch bis zum Schluß nicht mehr her.  Kleines Manko:  der HSV und der FC hatten gleich viele Punkte und da damals die Tordifferenz noch nicht zählte, mußte der Meister in einem Entscheidungsspiel ausgeschossen werden – das gewann der HSV mit 2:1 im Hoheluft-Stadion.
Aber auch als offizieller Vizemeister war man für die Meisterschaftsendrunde der Britischen Zone qualifiziert, wo im Viertelfinale der STV Horst-Emscher wartete, ein Stadtkonkurrent des FC Schalke 04 (die anderen Teilnehmer waren Borussia Dortmund, HSV, Werder Bremen, SV Hamborn 07, TSV (Eintracht) Braunschweig und die Sportfreunde Katernberg)
Horst wurde mit 3:1 nach Hause geschickt; im Halbfinale wartete in Gladbeck Borussia Dortmund – St. Pauli ging zwar zweimal in Führung, doch der BvB glich beide Male aus. 
Da damals noch kein Elfmeterschießen vorgesehen war, gab es nach der torlosen Verlängerung ein Wiederholungsspiel, eine Woche später in Braunschweig, wo St. Pauli mit 1:0 die Oberhand behielt.  Damit stand man im Finale, wieder gegen den HSV...das Spiel war ansich irrelevant, denn beide Teilnehmer waren für das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft qualifiziert, insofern wollen wir über das Ergebnis den Mantel des Schweigens hüllen (der HSV gewann im Victoria-Stadion mit 6:1).
Acht Mannschaften standen in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft:  der HSV und St. Pauli aus der britischen Zone, Kaiserslautern und die SpVgg Neuendorf aus der französischen, TSV 1860 München und der 1. FC Nürnberg aus der amerikanischen, Union Oberschöneweide (später 1. FC Union Berlin) aus Berlin plus der SG Planitz (Stadtteil von Zwickau) aus der sowjetischen Zone.
Neuendorf schlug den HSV 2:1 in Dortmund, Lautern 1860 5:1 in Worms, Planitz schied kampflos aus, da die Behörden den Spielern die Ausreise nach Stuttgart verweigerten, wo das Spiel gegen Nürnberg hätte stattfinden sollen und der FC St. Pauli hatte im Berliner Olympiastadion gegen Union Oberschöneweide anzutreten.  Roch nach Heimspiel für die späteren Unioner; mitnichten, denn ansich war das Spiel bereits nach 45 Minuten entschieden – da führte St. Pauli bereits 4:0 und in der 2. Halbzeit kamen nochmals drei Tore zum 7:0 Enderfolg dazu.
Im Halbfinale gab es dann von allen möglichen Gegnern den vielleicht schwersten Gegner, den 1. FC Nürnberg, damals Rekordtitelträger neben den nicht qualifizierten Schalkern.
38.000 Zuschauer hatten Karten für das Spiel in Mannheim – 91.000 Anforderungen waren eingegangen.  Die Nürnberger hatten das Viertelfinale kampflos überstanden, da dem SG Planitz die Reisegenehmigung in den Westen von den sowjetischen Behörden untersagt worden war, waren insofern ausgeruhter als die Hamburger und lagen nach 33 Minuten auch schon mit 2:0 vorne (Hagen / Winterstein) – ein verschossener Elfmeter des späteren St. Paulianers Robert Zapf Gebhardt gab das Signal zur Aufholjagd.  Lehmann (56.) schaffte den Anschlußtreffer, Machate (82.) den Ausgleich; doch bereits in der 4. Minute der Verlängerung schoß Pöschl Nürnberg bereits wieder in Führung.
Diese Führung sollte bis Ende Bestand haben und damit war St. Pauli ausgeschieden.
Nürnberg sicherte sich die Meisterschaft durch ein 2:1 gegen Lautern – St. Pauli hatte damit den bis dato größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte erzielt; danach ging es dann mit der sogenannten Wunderelf bergab.  1949 reichte es noch zum Viertelfinale (1:2 gegen Lautern), im Jahr darauf in der erstmals ausgetragenen Gruppen-Endrunde wurde man Vierter hinter Lautern (2:4 / 0:2), Schalke (2:1 / 0:1) und der SpVgg Fürth (1:4 / 1:0).
Danach konnte sich St. Pauli nie mehr auch nur in die Nähe eines deutschen Meistertitels bringen...die Spieler aus der Wunderelf waren schon 1948 um oder über 30 gewesen und diejenigen, die ihnen folgten, hatten nicht mehr deren Qualität.
Es begann halt die Zeit, in der ein Schnitzel allein nicht mehr zählte...









Spiele in der Saison 1947 / 48

Datum
Gegner
Erg.
Torschützen für St. Pauli
14.09.47 - OL
at Hannover 96
10:0
Lehmann (4) / Famula (3) / Börner (2) / Schaffer
21.09.47 – OL
vs Holstein Kiel
5:0
Lehmann (3) / Famula / Machate
28.09.47 – OL
at Bremer SV
3:1
Machate / Schaffer / Lehmann
05.10.47 – OL
vs Concordia
4:2
Miller / Schaffer / Lehmann (2)
19.10.47 – OL
at VfL Osnabrück
2:2
Schaffer / Lehmann
26.10.47 – OL
vs Werder Bremen
2:0
Lehmann / Machate
02.11.47 – OL
at Eintracht Braunschweig
3:0
Lehmann / Börner / Michael
16.11.47 – OL
vs Victoria Hamburg
3:0
Schaffer (2) / Machate
30.11.47 – OL
vs HSV
0:2
keiner
07.12.47 – OL
vs VfB Lübeck
3:1
Schaffer / Machate / Börner
14.12.47 – OL
at Arminia Hannover
2:1
Schaffer (2)
04.01.48  - OL
vs Bremer SV
1:2
Lehmann
11.01.48 – OL
at Holstein Kiel
0:0
keiner
18.01.48 – OL
at Victoria Hamburg
9:0
Börner (2) / Michael (2) / Machate (3) / Schaffer / Lehmann
25.01.48 – OL
vs Hannover 96
5:2
Schaffer / Dzur / Machate / Lehmann / Börner
08.02.48 – OL
vs VfL Osnabrück
0:0
keiner
15.02.48 – OL
at Werder Bremen
3:2
Schaffer / Börner / Machate
29.02.48 – OL
at VfB Lübeck
4:2
Schaffer (2) / Börner / Machate
14.03.48 – OL
at Concordia Hamburg
2:0
Michael (2)
21.03.48 – OL
at HSV
1:0
Lehmann
11.04.48 – OL
vs Eintracht Braunschweig
7:2
Börner (2) / Schaffer (2) / Lehmann (2) / Michael
18.04.48 – OL
vs Arminia Hanover
4:1
Machate (2) / Schaffer / Lehmann
02.05.48 - NdtM
HSV
1:2
Lehmann
09.05.48 – MBZ 1/4
STV Horst Emscher
3:1
Börner/  Schaffer (2)
30.05.48 – MBZ 1/2
Borussia Dortmund
2:2
Schaffer /  Lehmann
06.06.48 – MBZ 1/2
Borussia Dortmund
1:0
Machate
13.06.48 – MBZ Fin.
HSV
1:6
Michael
18.07.48 – DM 1/4
Union Oberschöneweide
7:0
Schaffer (3) / Machate (2) / Michael / Lehmann
25.07.48 – DM 1/2
1. FC Nürnberg
2:3
Lehmann / Machate

OL  =  Ligenspiele der Oberliga Nord / vs heißt Heimspiel, at Auswärts
NdtM = Entscheidungsspiel um die Norddeutsche Meisterschaft
MBZ =  Meisterschaft der Britischen Zone
DM =  Endrunde um die Deutsche Meisterschaft

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