Freitag, 22. September 2023

Abschiedsbrief

Mein lieber…

ich weiß nicht so recht, wie ich dich nennen soll…

Warst du mir ein Freund?

Auf alle Fälle warst du mir ein treuer Begleiter über eine sehr lange Zeit. 

Du hast gesagt, du bist mein Freund und ich habe dir lange geglaubt und du hast auch Vieles für mich getan.

Wir haben Aufstiege zusammen gefeiert und Abstiege ertränkt; überhaupt, wir haben früher viel zusammen gefeiert; die Partys waren lauter, der Sex spontaner.

Und wenn ich mit dir zusammen war, dann war ich schöner, besser, kreativer, intelligenter und witziger.

Das hast du mir erzählt und ich habe dir geglaubt. 

Du hast mich echt für dich eingenommen, aber du wurdest immer einnehmender und eifersüchtiger und ich habe lange nicht gesehen, was du mit mir gemacht hast. 

Denn wenn du nicht da warst, dann fiel ich in ein Loch, dann war ich gar nicht mehr witzig, schön, intelligent und kreativ - ich dachte, es liegt an mir und alles wird besser, wenn ich wieder bei dir bin. 

Aber irgendwann habe ich so langsam gemerkt, daß du mir gar nicht helfen willst - du liebst mich nicht, sondern du bist nur ein Egomane, der mich besitzen will. 

Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, daß du das alles nur getan hast, um mich zu kontrollieren; als du mich in deinen Fängen hattest, hast du mich dann daran gehindert, daß ich wieder ich bin oder ich werde. 

Letztendlich hast du alles versucht, um mich zu ruinieren, damit ich in deinen Fängen bleibe und es wäre dir fast auch gelungen, nachdem die große Liebe vorbei war.
Daß ist eine ziemlich harte und bittere Erkenntnis, die viel Zeit in Anspruch  genommen hat; schließlich haben wir 30 Jahre lang täglich zusammen abgehangen und ich bin lange nur bei dir geblieben, weil ich Angst hatte, meinen letzten Freund zu verlieren und in ein noch tieferes Loch zu fallen als das war, in dem ich schon gesessen hatte. 

Ich habe lange deine häßliche Fratze für mein Gesicht gehalten, das nur du verschönern kannst - aber das ist vollkommener Blödsinn; natürlich bin ich nicht so ein klasse Typ, wie du mir anfangs vorgegaukelt hast, aber seit dem ich mich aus dem Trümmerhaufen hervor kämpfe, den du in mir hinterlassen hast, stelle ich doch mit Erstaunen fest, daß ich viel besser sein kann ohne dich, wirklich kreativ und intelligent, 

manchmal sogar witzig und schön, auf alle Fälle gut.
Seit ich von dir getrennt lebe, sind mir ziemlich die Augen aufgegangen über das, was du bist - nämlich kein guter Freund, nicht mal ein guter Begleiter, sondern ein Lügner und Schmarotzer, der mein Geld verpraßt und  meine Gesundheit nahezu ruiniert hat und der sich größte Mühe gegeben hat, meine Persönlichkeit zu zerstören. 

Das weiß ich jetzt alles…ich könnte jetzt schreiben, tut mir leid für dich, aber das wäre gelogen; es tut mir nicht leid, dich für immer in die Wüste zu schicken.
Du wolltest eine weiße Fahne von mir - sorry, ich hab nur meinen Mittelfinger und, um Trio zu zitieren: ich werd dich jetzt verlassen und dann kannst du mich von hinten sehen! 

Und nein, ich werde mich nicht umdrehen, ich werde nicht zu dir zurückkehren, auch wenn du noch so viel bettelst, flehst und plärrst - und ich weiß, du bist sehr hartnäckig, laut und hinterlistig, wartest auf mich in dunklen Gassen und in dunklen Momenten, ziehst deine verführerischsten Kleider an und legst dein betörendstes Parfüm auf und packst all deine Reize aus, die du zweifelsohne hast.

Ich stopf mir Watte in die Ohren, leg mir Scheuklappen zu und wechsel die Straßenseite, wenn ich dich sehe, wie du auf mich lauerst und versuchst, mich zu umgarnen. 

Ohne deine künstlichen Reize bist du nur eine ganz billige Dirne und du trägst keinen Funken Liebe oder Zuneigung in dir. 

Zu mir nicht, zu niemandem.

Das ist mir jetzt nach einem langem schweren Prozeß klar geworden und ich hoffe, du kapierst das, daß du keinerlei Macht mehr über mich hast.

Ich brauch dich nicht mehr, ich will dich nicht mehr, also, sorry, verpiß dich und störe in Zukunft nicht mehr meine Kreise…deine Zeit ist vorbei und sie wird nicht mehr wiederkommen. 

So, das war’s, mein böser Geist, denn nichts anderes bist du in Wirklichkeit - ab, zurück in die Flasche, wo du hergekommen bist und bleib da gefälligst. 

Ich verabschiede mich also von dir, und ich sage nicht “Auf Wiedersehen” , denn es wird keines mehr geben. 


In tiefer Abscheu;
dein Ex, Bernd


PS:  Im Übrigen hab ich schon ne Neue - sie heißt innere Stärke und ist verdammt sexy

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen