Dienstag, 5. Juni 2012

GRIECHENLAND


GRIECHENLAND



FIFA-Weltrangliste
14.
UEFA-Koeffizient (Platz)
11.
EM-Titel
2004
EM-Teilnahmen bisher
1980 / 2004 / 2008
EM-Qualifikation
Sieger der Gruppe F
Rekordspieler
Theodoros Zagorakis (120)
Rekordtorschütze
Nikolaos Anastopoulos (29)
EM-Bilanz gg GER
1980:  0:0 (Vorrunde)


Die Griechen haben viele nützliche Dinge erfunden:
Zum Beispiel die Demokratie oder die Philosophie, daß Frauen sich auf Stieren nach Kreta entführen lassen und so Kontinenten ihren Namen geben – Gyros, Zaziki und dazu Salat, Ouzo, Retsina und lustige Euro-Rettungsschirm-Konferenzen und –Maßnahmen.
Was die Griechen nicht erfunden haben, ist zweifelsohne Fußball.
Basketball im Übrigen auch nicht, aber in beiden Sportarten sind die Anhänger verdammt gut, was das Engagement in Sachen Choreographie und Bürotechnik angeht.
Ach ja, Theater, Komödie und Tragödie haben die Griechen auch angeblich erfunden.
Auch reklamiert ein Grieche namens Homer bis heute für sich, die epische Versdichtung erfunden zu haben...dieser Titel wird ihm allerdings von einem Deutschen namens Otto Rehhagel streitig gemacht, der – etwa gleichaltrig wie der mythische Homer – in einer Vielzahl von Prozessen behauptete, daß er solche Dichtungen wie die Odyssee und die Ilias geschrieben hätte...das Pseudonym Homer hätte er sich gewählt, weil es „Geisel“ bedeutete, in Anlehnung an die vielen Fußballspieler, die sich seine oftmals mehrstündigen Kabinenansprachen anhören mussten.
Wie schön Homers...äh Ottos...epische Versdichtungen sein können, davon durften sich unlängst die Anwesenden beim DFB-Bundesgericht überzeugen, als der Rehhagel anlässlich des Verfahrens um eine Wiederholung des Bundesliga-Relegationsspiels seine schönsten Erlebnisse aus dem zweiten Weltkrieg erzählte.
Mit solch wunderhübschen Anekdoten kann man natürlich eine Mannschaft motivieren, Europameister zu werden, was den Griechen 2004 gelang.
Noch immer fragt sich jeder, warum und vielleicht war das der Schlüssel zum Erfolg; daß sich alle Spieler damals sagten – okay, bloß raus aus der Kabine, solange wir spielen, redet er nicht und solange wir gewinnen, redet er weniger.
Bis zur Verpflichtung von Otto Rehhagel als Nationaltrainer war der griechische Fußball im Weltgeschehen ansich nicht weiter störend aufgefallen.
1980 gelang erstmals die Qualifikation für ein EM Turnier. Nikolaos Anastoulos von Panionios Athen kann sich rühmen, das erste (und einzige) griechische EM-Tor geschossen zu haben und immerhin gelang den Griechen, die allesamt in der heimischen Liga ihr Geld verdienten, auch der erste Punktgewinn bei einer EM-Endrunde – ausgerechnet gegen den späteren Europameister Deutschland.
Zum zweiten Mal für ein internationales Turnier qualifizieren konnten sie die Griechen 1994, die erste WM-Teilnahme, wobei es sicherlich hilfreich war, daß Jugoslawien auch von diesem Turnier suspendiert worden war und auch die Russen momentan nicht mehr fußballerisch auf der Höhe waren nach Auflösung der GUS / UdSSR.
Schon damals zeigten sich die Griechen als Minimalisten, 10 Tore in acht Spielen reichten, weil viermal daraus ein 1:0 Sieg wurde und man nur gegen Russland (1:1) und Luxemburg (3:1) ein Gegentor kassierte. 
Was die Quali wert war, zeigte sich dann in den Gruppenspielen, als sich die Griechen in jedem Spiel eine neue Vorwahl abholten. Da schossen die Griechen nämlich gar kein Tor, sondern kassierten 4 gegen Argentinien, 4 gegen Bulgarien und 2 gegen Nigeria.
Torlos, punktlos...Heim.
Das Problem des griechischen Fußballs war der Konfliktdes Verbandes mit den drei mächtigen Clubs Panathinaikos, AEK und Olympiakos Piräus.
Die stellten zwar zumeist die besten Spieler, allerdings fühlten sich die anderen Vereine dann immer unterrepräsentiert,  die bislang welchem Nationaltrainer auch immer, in seine Aufstellung und seine Arbeit reinredeten und als Trainer der Nationalmannschaft bislang eher nur willenlose Marionetten installierten, die sich auch gut reinreden ließen. In den Jahren von 1977 bis 2001 verschlissen die Griechen 12 Nationaltrainer, also im Schnitt alle zwei Jahre einen neuen.
2001 kam die Ernennung von Otto Rehhagel zum neuen Nationaltrainer der Hellenen für alle Experten ziemlich überraschend; aber gut, auch einige andere deutsche Trainer hatten sich, nachdem sie ihren Zenit überschritten hatten, als Entwicklungshelfer im Fußballniemandsland verdingt.
Die Experten hätten gewarnt sein sollen: schon in Bremen und in Kaiserslautern hatte König Otto gezeigt, daß er, wenn man ihn gewähren lässt, durchaus aus mittelmäßigen Kickern eine Mannschaft formen kann, mit der man Erfolge feiern kann.
Wahrscheinlich lud Otto alle Verbandsfünktionäre zu sich zu einem Diaabend ein...Beate machte Schnittchen, er zeigte Bilder von seinen Nationalmannschaftskandidaten und zitierte fleißig Homer.  Nach diesem Abend ließen ihn sämtliche Funktionäre gewähren, denn Rehhagel hatte angedroht, daß man so was jetzt jeden Monat machen sollte.
Die Qualifikation für die WM 2002 wurde noch versemmelt, doch für die EM 2004 konnten sich die Griechen das Ticket mit 6 Siegen bei zwei Niederlagen sichern, wobei sie sogar Spanien in der Gruppe hinter sich ließen und wieder reichten den Minimalisten 8 Tore in 8 Spielen für diesen Erfolg – zwei Spiele wurden 0:2 verloren (gegen Spanien und in der Ukraine), gegen Armenien und in Nordirland gewann man 2:0, alle anderen vier Siege wurden mit einem 1:0 erzielt.
Spanien sollten die Griechen in der Gruppe 2004 wieder zugelost bekommen.
Anders als seine Vorgänger nahm König Otto nur die Besten der Besten der Besten mit.
6 Spieler von Panathinaikos, 4 von Olympiakos, 4 von AEK und dazu 9 Profis, die inzwischen im Ausland ihr Geld verdienten.
In der Gruppe bekamen es die Griechen neben Spanien mit Gastgeber Portugal und Russland zu tun.  Quell der Weiterkommens war ein wahres „Offensivfeuerwerk“ der Griechen, als sie Portugal zum Auftakt 2:1 schlugen.
Angelos Charisteas von Ottos Ex-Liebe Werder Bremen arbeitete dann bereits im zweiten Spiel an seinem Heldenstatus, indem er die Führung der Spanier egalisierte. Vier Punkte bedeuteten so was Ähnliches wie das Weiterkommen. Das letzte Gruppenspiel gegen Russland ging 1:2 verloren – weil zeitgleich Portugal Spanien schlug, reichte es tatsächlich: bei einem Unentschieden Portugals wären Spanien und Portugal weiter gewesen.
Insofern kann aber Zinis Vryzas vom AC Florenz als der wahre griechische Held der EM gelten. Denn hätte er nicht zum 1:2 gegen Russland gegen Russland getroffen, wären die Spanier auch so weiter gewesen.
Im Viertelfinale wartete der Titelträger Frankreich, der seit 2002 nur ein Spiel verloren hatte. Doch die Mannschaft war so langsam über ihren Zenit hinaus, agierte ideenlos und konnte mit den Mauer- und Kontergriechen nix anfangen.
Wieder ein 1:0 und wieder war es Charisteas, der den Griechen ein Weiterkommen ins Halbfinale sicherte, wo diesmal die Tschechen warteten.  König Otto griff diesmal tief in die Taktikkiste, reanimierte den Libero und die Manndecker, was die Tschechen, die allesamt nach 1966 geboren waren, natürlich verwirrte. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte der Verlängerung gelang Dellas dann nach einer Ecke per Kopf der 1:0 Treffer.
Das Finale wurde die erste Wiederholung eines Vorrundenspiels in der EM Geschichte, erstmals standen zwei Mannschaften im Endspiel, die noch nie zuvor in einem EM-Finale gestanden hatten und Otto avancierte zum ältesten EM-Trainer aller Zeiten und leider auch zum ältesten WM-Gewinner-Trainer aller Zeiten (die zwei Rekorde verlor er 2008 an Luis Aragonés). Wieder 1:0, wieder Charisteas.
SICHER...es kam vieles zusammen, was den Griechen diesen Triumph ermöglichte – Spieler, Trainer, Losglück, überhaupt Glück, denn die Griechen wurden ein Europameister, den ansich niemand mochte, weil sie einen absolut antiquierten und unansehnlichen Fußball boten, der plötzlich nochmals Erfolg hatte.
Daß dieses System sich überlebt hatte, zeigte sich schon wenig später – die Griechen verpassten die Qualifikation zur WM 2006 – bei der EM 2008 waren die Griechen zwar dabei, schieden aber sieglos in der Gruppe aus: 0:2 gegen Schweden – 0:1 gegen Russland und 1:2 gegen eine bereits qualifizierte spanische B-Elf, wobei Charisteas der Führungs- und einzige Treffer der Griechen gelang.
In der Quali zur WM 2010 reichte es nur zum zweiten Gruppenplatz; in den Play Offs setzte man sich dann gegen die Ukraine durch (0:0 / 1:0).
Immerhin gelang den Griechen ihr erster WM Sieg gegen Nigeria (2:1), die anderen Spiele gegen Südkorea und Argentinien gingen allerdings mit 0:2 verloren.
Otto Rehhagel hatte es geschafft – er war ältester WM-Trainer aller Zeiten und trat danach von seinem Amt zurück. Seinem Nachfolger, Fernando Manuel Costa Santos, zuvor Trainer von PAOK Thessaloniki, gelang die Qualifikation mit vielen Debütanten, sieben Siegen und drei Unentschieden vor allem dank eines 2:0 gegen Kroatien, die man mit diesem Ergebnis zwei Punkte und einen Platz hinter sich lassen konnte.
Mit Chalkias, Karagounis und Katsouranis sind immerhin noch drei Recken vom EM Triumph dabei...die können dann ja, wenn’s mal nicht so läuft, den anderen in der Kabine erzählen, wie das früher war, mit Otto, in lyrischer Breite und epischer Dichte.
  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen