Sonntag, 17. Juni 2012

SPANIEN



FIFA-Weltrangliste
1.
UEFA-Koeffizient (Platz)
2.
EM-Titel
1964 / 2008
EM-Teilnahmen bisher
1964 / 1980 / 1984 / 1988 / 1996 / 2000 / 2004 / 2008
EM-Qualifikation
Sieger Gruppe I
Rekordspieler
Iker Casillas (128)
Rekordtorschütze
David Villa (51)
EM-Bilanz gg GER
1984:  1:0 (Vorrunde)
1988:  0:2 (Vorrunde)
2008:  1:0 (Finale)

Was macht guten Fußball aus und was erfolgreichen - und wie bringt man Fußballer dazu, guten Fußball zu spielen – kann man das antrainieren oder müssen gewisse Eigenschaften bei Spielern  vorhanden sein, um guten Fußball zu spielen und: um vor allem erfolgreich guten  Fußball zu spielen?
Braucht es nur die reine Athletik des Kopfes oder Fußes, um den Ball ins Tor zu befördern oder braucht es vor allem den Kopf, der dem Fuß sagt, wie er den Ball ins Tor zu befördern hat...und wenn ja, wie bringt man dem Kopf bei, dem Fuß das richtige zu tun.  ODER AUCH: bestimmt das Bewusstsein das Sein oder ist es doch umgekehrt.
Es gibt viele Ansätze, sich dem Thema zu nähern, vor allem den italienischen und den niederländischen, die beiden Extreme – der eine auf Tore verhindern, der andere auf den Torerfolg ausgerichtet und dann gibt es noch seit 2004 den überaus erfolgreichen dritten Weg, den die Griechen und die Spanier praktiziert haben.
Die Griechen als das eine Extrem, ein reines Kollektiv, aber letztendlich war die Idee die gleiche, die hinter den jüngsten Erfolgen der Spanier steht.
Was sich so schön „TIKI-TAKA“ nennt, dieses minutenlange Hin und Her von Kurzpässen ist nichts anderes, als das was die Griechen 2004 praktiziert haben, nur daß es bei den Spaniern zumeist in des Gegners Hälfte stattfindet.
Die Lösung, wie man den Gegner daran hindert, ein Tor zu schießen, ist ansich ganz einfach...dazu braucht der Gegner den Ball und wenn man selbst den Ball hat, ihn minutenlang hin und her kreiseln lassen kann, dann besteht halt keine Gefahr für das eigene Tor und – im Nebeneffekt – auch noch die Möglichkeit, wenn der Gegner dann einen Fehler macht, selbst ein Tor zu erzielen.
Das haben spanische Mannschaften inzwischen bis zum Erbrechen perfektioniert, aber die Sache ist, das konnten sie ansich schon immer, so daß man sich ernsthaft die Frage stellen muß, warum dabei früher so wenig herausgesprungen ist.
Der spanische Vereinsfußball war lange schon der dominierende in Europa neben dem englischen und italienischen, was sicher auch an den hochkarätigen ausländischen Stars lag, die für die Vereine kickten, dennoch waren ansich die Italiener immer mit unter den Topfavoriten bei allen Turnieren, die Spanier zählten allerdings auch immer mit zu den Geheimfavoriten, obwohl ihnen der einzige Titelgewinn bis 2008 (wie den Engländern) nur im eigenen Land gelang.
Dazu muß man vielleicht (und da komme ich wieder bei der Frage an, ob das Sein das Bewusstsein bestimmt oder umgekehrt) anmerken, daß Spanien durch Bürgerkrieg und Diktatur lange ein zerrissenes Land war.
Zur WM 1938 wurde eine spanische Mannschaft wegen des Bürgerkrieges nicht zugelassen, bei der EM 1960 wurden die Spanier disqualifiziert, weil Diktator Franco der Mannschaft untersagte, zum Viertelfinalspiel nach Moskau zu fliegen.
1964 wurde die Endrunde dann recht früh an Spanien vergeben, nicht erst, als die vier Endrundenteilnehmer feststanden – das versprach zwar einerseits Planungssicherheit für das Gastgeberland, war aber auch andererseits ein wenig riskant, denn der Gastgeber einer EM war bis 1980 nicht automatisch qualifiziert und fast wäre es schiefgegangen.
Obwohl die Spanier im Vereinsfußball eine Macht waren, gerade in den 60er Jahren, war die Nationalmannschaft nur ein Schatten jener Erfolge.
In der Vorrunde gab es ein relativ deutliches 6:0 gegen Rumänien, das Rückspiel ging allerdings mit 1:3 verloren und im Achtelfinale wurde es richtig eng: Im Hinspiel reichte es gegen die Nordiren grad zu einem 1:1, das mag auch mit an dem Austragungsort gelegen haben – Spiele in Bilbao war zu Zeiten der Franco-Diktatur für die Seleccion nicht unbedingt Heimspiele (wie auch Spiele in Barcelona). Im Rückspiel reichte ein Treffer von Gento zum Einzug ins Viertelfinale. Da bekam man es mit den Rest-Iren zu tun, auch nicht gerade eine Fußball-Großmacht jener Tage.
Nationaltrainer Villalonga vertraute einer Mannschaft, in der nur zwei Akteure von Real Madrid standen, dazu vertraute er zwei Italien-Legionären und ließ mit Iribar einen Basken im Tor debütieren.
In Sevilla schickte man die Iren mit 5:1 nach Hause, im Rückspiel besorgte Zaballa aus Barcelona die Treffer zum 2:0 Sieg. Spanien war also im Halbfinale.
Dort bekam man es mit Ungarn zu tun – 37.000 Zuschauer waren anwesend im Estadio Santiago Bernabéu, dem Wohnzimmer des Diktators Franco. (Zur Einordnung: das Endspiel um den Landesmeisterpokal 1957 zwischen Real Madrid und dem AC Florenz verfolgten 124.000 Zuschauer.)  Das spanische Team ging durch Pereda (Barcelona) in Führung, doch Albert konnte kurz vor Schluß ausgleichen; erst in der 108. Minute gelang der Siegtreffer durch Amancio von Real Madrid.
Im Finale musste der natürlich anwesende Diktator Franco zwei Kröten schlucken: der Gegner hieß UdSSR und eine sowjetische Fahne hing 90 Minuten lang vor seinen Augen gegenüber der Ehrentribüne und wieder standen nur zwei Akteure seines Lieblingsclubs Real Madrid auf dem Feld.  Diesmal waren 79.7000 Zuschauer anwesend, damit waren aber nur die aufgelistet, die auch ein Ticket erworben hatten; inoffiziellen Angaben zufolge sollen bis zu 130.000 Menschen anwesend gewesen sein.
Die Spanier gingen in der 5. Minute durch Pereda in Führung, doch Chussainow schaffte im Gegenzug quasi den Ausgleich und es sollte bis zur 85. Minute dauern, bis Martinez von Real Saragossa den Siegtreffer erzielte. Mit den Spaniern hatte selbst nach Meinung des russischen Trainers die bessere, schneller und modernere Mannschaft gewonnen.
Zum ersten Mal trat die Seleccion aus dem Schatten der großen Vereine heraus, was in der regimefreundlichen Presse geradezu überschwänglich bejubelt wurde: auf einem Cartoon der Zeitung ABC beglückwünschte der Diktator die Europameister mit den Worten: „Sie und ich haben sich als Sieger erwiesen. Wir haben beide die Roten geschlagen!“  In einem Kommentar stand in dem selben Blatt, die Begeisterung im Stadion und auf den Straßen Madrids seien Ausdruck des größten Enthusiasmus, den das Volk dem Staat, der aus dem Sieg über den Kommunismus hervorging, in diesem Vierteljahrhundert entgegengebracht hatte.
Sonstigen Enthusiasmus brachte das spanische Volk den Bezwingern des Kommunismus wohl scheinbar nicht entgegen; der Nationalmannschaft bald auch nicht mehr, denn die Leistungen nach dem Titelgewinn waren alles andere als herausragend.
Im Jahr nach dem Titelgewinn verhängte der spanische Verband einen Importstop für ausländische Kicker und ließ wie schon 1964 nur noch Spieler in der Nationalmannschaft zu, die auch in Spanien geboren waren, was zur Folge hatte, daß der spanische Vereinsfußball im Mittelmaß versank und auch die Nationalmannschaft keine zählbaren Erfolge mehr aufweisen konnte.
Letzteres sollte aber weniger an dem Importstop (der 1973 aufgehoben wurde und sich Barcelona die Dienste von Johan Cruyff sicherte) liegen, als daran, daß Spanien politisch noch immer ein zerrissenes Land war und viele der Besten nicht für „ihr Land“ antraten oder, wenn sie das taten, die Mannschaft kein Team war.
Bezeichnend hierfür ist vielleicht das Qualifikationsspiel am 12.10.1975 gegen Dänemark, das Spanien die Viertelfinalteilnahme zur Euro 1976 sicherte. Nur knapp 7.000 Zuschauer wollten das Spiel in Barcelona sehen und nach dem Spiel war alles totenstill. Acht Tage später waren Barcelonas Straßen voll von feiernden und jubelnden Menschen, die tanzten und sangen. Diktator Franco war gestorben!!!
Frankreich unterlag im Viertelfinale dann Deutschland – Torhüter damals war Miguel Angel von Real Madrid; einer der besten seines Fachs, leider mit einer schwachen Mannschaft ausgestattet, ihm folgten in der Tradition von Iribar erst Arconada und dann Andoni Zubizarreta, alles jeweils Basken, weil die Topvereine zumeist Ausländer als Keeper unter Vertrag hatten.
Die WM 1082 im eigenen Land, bei der noch Arconada im Tor stand, geriet quasi zum
Debakel für das Gastgeberland: in der ersten Runde ein 1:1 gegen Honduras, ein 2:1 gegen Jugoslawien und ein 0:1 gegen die Nordiren reichten so grad mal – in der 2. Finalrunde gab es ein 1:2 gegen Deutschland und ein 0:0 gegen England.
Raus beim Turnier im eigenen Land mit einer blutleeren Mannschaft.
Danach war immer das Viertelfinale das Maximum aller Gefühle bei allen Turnieren, obwohl sich eine neue Generation von Spielern heranbildete.
Nachfolger des großen Zubizarreta wurde Santiago Canizares aus der Jugend von Real Madrid, der jedoch seine großen Tage beim FC Valencia erlebte; sein Nachfolger wurde Iker Casillas ab 2000 als Stammkeeper, einer der U20-Weltmeister Spaniens 1999.
Casillas ist vielleicht eines der Sinnbilder für die neue spanische Mannschaft.
Zwar dauerte die Erneuerung lange, doch dann trug sie endlich Früchte.
Vielleicht brauchte es die lange Phase für eine Versöhnung zwischen den Landesteilen, vor allem zwischen Kastilien (Real Madrid) und Katalonien, daß sich Energien in den Köpfen der Spieler auch für die Nationalmannschaft bündelten.
Beim EM Gewinn war kein Spieler mehr im Kader, der noch zu Zeiten der Franco Diktatur geboren worden war; ein Großteil der Spieler war in den Jugendakademien von Real oder Barcelona ausgebildet worden und inzwischen suchte die neue Generation von Spielern nicht mehr nur den sicheren Verdienst in der spanischen Liga, sondern auch die Erfahrung des Spiels im Ausland.
Was in den 60er Jahren Italien war, das spanischen Spielern Härte und Defensive lehrte und so zum Titelgewinn 1964 mithalf, war in den 2000ern vor allem England:
Reina, Arbeloa, Xabi Alonso und Fernando Torres verdienten 2008 ihr Geld in Liverpool, Cesc Fabregas bei Arsenal London.
Inzwischen sind die meisten wieder zurück gekehrt nach Spanien, nur noch Torres verdingt sich beim FC Chelsea, aber ebenda spielt Mata – die zwei wissen also, wie man Champions League gewinnt - und mit David Silva haben sie jemanden im Kader, der weiß, wie man mit Man City englischer Meister wird.
Spanien ist im Konzert der ganz Großen angekommen und wird sich aus dem Saal wohl auch nicht mehr so schnell verabschieden. 

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