Donnerstag, 21. April 2016

DER VIERTE VERSUCH

welch ungewöhnliche situation:
normalerweise, wenn ich weiß, welches spiel als nächstes auf meinem plan steht, fange ich ja vorher schon an, etwas zu sammeln über platz und vereine und quasi die vorgeschichte des zu besuchenden spiels zu schreiben.

und heute fällt mir spontan NICHTS ein...
es ist mein drittes spiel diese saison auf dem kesslau-platz - es ist mein drittes spiel mit beteiligung von sporting clube und das zweieinhalbte spiel vom hamburger berg, das ich sehe. 
naja...denn laß es doch einfach...schreib einfach NIX...geh zum fußball, wenn du es magst und quäle deine mitwelt nicht mit deinen ergüssen - oder noch anders, sagen die puristen...du bist gar kein echter grundhüpfer - wenn du auf dem platz schon warst, denn bleib einfach weg, denn hast du auch das dilemma nicht, zu jedem spiel deine mitmenschen mit fotos und deinen unwichtigen beiträgen zu quälen zu müssen....es sei denn, du bist erklärter fan der spielenden mannschaften und machst das deshalb. 
nunja...das isses denn wohl, weswegen ich trotzdem hin bin...ich hab die kreisklasse 10 irgendwie in mein herz geschlossen, die sportings und den berg sowieso und auch den oskar kesslau...und ich werde wohl noch viele gelegenheiten, den platz zu besuchen - zum einen war ich noch bei keinem spiel  von benfica, der anderen portugiesischen mannschaft, die hier spielt und zum anderen wird es den platz wohl noch länger genau so geben...bzw, er wird definitiv nicht moderner werden.
ja, wir hatten die diskussion heute mit dem platzwart, wenn es denn schon drei vereine gibt, die hier kicken, würde es doch mal sinn machen, über eine plastikwiese nachzudenken...aber, sagte der freundliche platzwart - das hier ist hamburgs vergessenes viertel..."der bezirk mitte hat für vieles geld, aber nicht für fußballplätze"  - ja...viel plastikwiese gibt es nicht...sternschanze, feldstraße, öjendorfer weg, snitgerreihe, ftsv lorbeer...das war's, wenn ich recht überlege.
dazu noch den hammer park, gesundbrunnen, hein klink und europa mit rasen...der rest ist, wenn ich nachdenke, alles asche. 
und gerade hier auf der ecke...aber gut...es ist ein vergessenes viertel - wenn man sich mal überlegt: stand 2014 wohnten in hammerbrook knapp 2.300 menschen - im jahr 1910 waren es über 40.000 - hamm süd hatte 1939 90.000 einwohner, heute sind es immerhin wieder knapp 38.000.
daran erinnert heute nur noch wenig...ebenso wenig wie am kesslau platz heute noch etwas an seine großartige vergangenheit erinnert und den verein, der einstmals dort gespielt hatte - wer dort heute steht, wird sich denken: "was für ein freudloser acker" (zitat fuis ligo)...1908 begann dort der sk komet hamburg (komet riecht ja immer nach arbeitersport), hervorgegangen aus einem 1905 gegründeten verein namens SC DELPHIN (finde ich charmant, den namen...hätte ihnen den spitznamen "die flippers" einbringen können) 
"damals saßen die zuschauer noch in den bäumen" und man mag sich fragen, wo denn die bäume sind - aber der platz soll einstmals viel größer gewesen sein, eine laufbahn gehabt und inmitten von backsteinhäusern gelegen haben.
als die kometen 1937 gegen schleswig 06 um den aufstieg in die gauliga nordmark spielten, waren hier 4.200 zuschauer anwesend - kann man sich, wenn man hier heute anwesend ist, allein schon räumlich kaum vorstellen...hier die bahnlinie, dort der kanal.
die kometen schafften den aufstieg, hielten sich sogar relativ lange in der obersten liga, mußten nur wegen der umwandelung der gauligen im kriegsbetrieb wieder weichen...es gelingt den kometen in einer kriegsspiel-gemeinschaft mit hermannia veddel der wiederaufstieg in die gauliga hamburg, im juli 1943...kurz bevor in der operation gomorrha hammerbrook als stadtteil quasi ausgelöscht wird - 12.000 tote in zwei nächten...der platz, so wie er mal bestanden hatte, ist ebenfalls vernichtet...
trümmer werden beiseite geräumt...es wird zur belustigung des volkes weiter fußball gespielt...die ksg hermannia komet tut dies bis zum untergang...so wie auch die band auf der titanic weiterspielte, bis den musikern das wasser in die trompeten und tubas lief...
ein ansich absurdes szenario - noch 1.500 zuschauer waren im dezember 1943 auf dem kesslau platz anwesend beim 0:8 gegen den hsv.
die KSG wurde 1945 aufgelöst...1947 fusionierten die kornblumenblauen kometen mit zwei rothenburgsorther vereinen (dem RFK und dem HRTV) zum tus hamburg als konsequenz aus dem "totalschadensgebiet"
das macht mich an einem dienstag abend im april bei herrn kesslau, an dem es neben einem fußballspiel nix außer wind und regen gab (also weder kaffee noch wurst...dabei hatte mir der platzwart doch versprochen, er würde zu diesem spiel wenigstens die kaffeemaschine anschmeißen), ein wenig traurig.
wenn man zwei spielfreundinnen, einen spielersohn und einen verletzten spieler von sporting und ein paar spieler vom berg, die nicht gebraucht wurden, abzieht, hatte das spiel genau ZWEI zuschauer...meinen tapferen begleiter (für den es der erste besuch bei herrn kesslau war) und mich. 
wobei, den tapferkeitspokal reklamiere ich auch diesmal für mich...ich war hier schon, ich hab beide mannschaften schon gesehen und es spielen der 5. (der berg) gegen den 6. (sporting) - es geht also nur um die goldene ananas.
es geht an diesem abend allerdings in erster linie darum, dieses spiel zu spielen, denn ansich ist das ein spiel vom 11. spieltag - sprich, die partie hätte ansich mitte oktober stattfinden sollen...der vierte versuch.
der coach vom hamburger berg hatte manschetten, keine truppe zusammen zu bekommen und hat in sofern alles zusammengetrommelt, was er kriegen konnte, auch spieler der zweiten mannschaft, so daß sich bei herrn kesslau etwa 25 mann für den berg tummelten...das lustige ist ja: zu dem projekt hamburger berg gehört unter dem punkt integration auf scheinbar höflichkeit...da mein begleiter und ich den coach vom berg kannten und er uns freundlich begrüßte, defilierte dann ein teil der spieler erst mal an uns vorbei, um uns hallo zu sagen und die hand zu schütteln...machte mich fast ein wenig verlegen.
"was wird das...ne footballmannschaft?" - fragte der freundliche trainer von sporting, der gerade mal sieben mann zusammen hatte...und niemanden, der den schlüssel für den platz hatte - zum glück hatte des trainers sohn einen (der gerade mit den frisch gewaschenen trikots vorfuhr), so daß der trainer dann erstmal den kreidewagen auspacken konnte.  
schiedsrichter war auch anwesend...sporting kriegte genügend spieler zusammen, konnte also losgehen - sportings bester defensivmann, der uwe unter den ronaldos, saß leider verletzt auf der bank und der beste offensive, der thiago, extrem guter (leider manchmal extrem unbeherrschter) kicker,  machte sein erstes spiel nach fünf wochen verletzungspause...reichte leider nicht für sehr lange und sehr viel, aber doch für unruhe, so lange er auf dem feld war.
zwei gründe, warum die sportings hinter den musas und bingöls zurück stehen mußten...ein kader von 15 ist halt extrem dünne...da darf sich ansich keiner verletzen oder sonntags auf ner familienfeier eingeladen sein....oder dienstags abends noch für ne prüfung lernen müssen.
einer der gründe, warum sporting doch ziemlich abgesoffen ist in den letzten wochen - schade - ist genau so eine spielstarke mannschaft wie der berg, weswegen ich unbedingt dieses spiel sehen wollte.
und ebenfalls SCHADE, daß ein spiel zweier solcher mannschaften, die richtig kicken können, bei solch widrigen verhältnissen stattfinden mußte....wie gesagt, beide wollten das endlich hinter sich bringen...ansich hätte man sagen sollen, komm - wir lassen das und machen das, wenn die sonne scheint.
wenn es nicht gerade regenschauer gab, peitschte der wind statt wasser staubwolken über den platz (bäume wären jetzt charmant gewesen und hochhäuser wie 1940), das machte abschläge, flanken, einwürfe - eigentlich alles an bällen, was hoch (und weit) fliegen sollte zu einem glücksspiel...
entweder kamen die bälle zu weit oder verhungerten in der luft und flogen wie ein boomerangin richtung des absenders zurück. 
es war defintiv nicht das wetter für die vom berg - sporting kam mit wetter und acker deutlich besser zurecht und hatte mit der "katze vom kesslau" auch den eindeutig besseren (und glücklicheren) torwart: herr aldoiso dos reis cardoso sieht nun nicht zwingend wie ein modellathlet aus, hatte aber im hinspiel vor neun tagen den sporting das 2:0 auf dem berg gerettet mit seinen reflexen.
das hinspiel war eine ruppige angelegenheit gewesen - sollte man bei den mannschaften gar nicht vermuten: 10 gelbe, drei gelb-rote karten.
"diesmal läßt du aber auch ma zwei durch, digga" ermahnte der berg-coach den keeper, der hatte nur gelächelt (und sich wahrscheinlich: "neee, laßma, digga" gedacht - und auch so gehandelt).
diese partie kam mit zwei gelben karten aus, weil beide trainer deutlich auf ihre mannschaften einwirkten, es doch mit spielen und nicht mit treten zu versuchen ...und beide mannschaften können das ja - und weil herr volkan kenan, der schiri, eine ziemlich unaufgeregte, ordnende und viel sprechende person war. 
mitte der ersten halbzeit dann die eine entscheidende aktion...eine flanke vom thiago, die dank dem wind die zweite luft kriegt, so daß sie für den torwart vom berg wegfliegt und stattdessen auf den kopf-hals-schulter von herrn daniel alves, der schon im hinspiel das 1:0 markiert hatte, fällt und von da aus ins tor. 
und dieses 1:0 brachten die sportings dann mit spielerischer klasse und taktischem geschick und viel wind und etwas glück über die zeit.
war nicht dem berg sein tag, sein wetter, sein spiel...da fehlt noch einiges.
das sind alle gute kicker, aber bis auf DRIZZE wollen die alle lieber stürmen als verteidigen - am thema zuordnung, ordnung allgemein müssen wir noch etwas arbeiten - wenn der berg in führung geht, dann ist alles gut...wenn es denn ein rückstand ist, geht noch zu oft die ordnung verloren, die mannschaft wird nervös und auch ungeduldig...so kommen dann unnötige fouls zustande, weil jeder spieler vom berg den ball haben möchte. 
und so kam leider auch die häßlichste szene des spiels zustande - ein duell im mittelfeld: sporting spieler kriegt den ball, einer vom berg rast auf ihn zu, setzte zur blutgrätsche an, der sporting schafft einen hasenhaken, der spieler vom berg leider nicht, zwei beine wollen in unterschiedliche richtungen und ein fuß verhakt sich dabei im gegner und im trockenen acker.
der gegner kommt zu fall, ja, aber es war kein foul, niemandes schuld und einfach nur unglücklich...der spieler vom berg bleibt liegen, betreuer auf den platz und irgenwann kam dann nur noch der ruf "NOTARZTWAGEN" 
ich mag grundsätzlich nicht, wenn jemand weint...ich mag nicht, wenn fußballspieler weinen, nach niederlagen nicht und in solchen momenten erst recht nicht...wenn ein spieler wimmernd auf den armen eines betreuers vom platz getragen wird...da ist im sprunggelenk und bändersystem ne ganze menge kaputt gegangen, sag ich einfach mal mit meinem laienwissen. 
das ganze führte bei beiden mannschaften zu einer leichten schockstarre, auch bei den sportings ("ich hab den fuß gesehen, digga") - dem berg ging langsam sichtlich die luft aus beim versuch, immer wieder gegen den wind und die grün weiße wand anzurennen und es fehlt einfach dann noch ein wenig ordnung, struktur und geduld...sporting reichten ein paar nadelstiche und ein paar konter, um zeit von der uhr zu nehmen...und wenn alles nichts half, dann wechselte man ("ey komm, nimm mich rein, ich stell mich mit meinem dicken panzer einfach mitten in die mitte") einfach nochmal, um den rythmus des gegners zu stören...ich denke, keiner war unglücklich, als herr kenan das spiel relativ pünktlich beendete und die sechs minuten verletzungspause nicht noch großartig nachspielen ließ.
ein schönes bild, wie beide trainer sich nach dem spiel (beide mit fluppe in der hand) in den arm nahmen...auch die spieler verabschiedeten sich artig voneinander...wenn dem fußballgott und dem HFV nichts außergewöhnliches einfallen sollten, sieht man sich ja nächste saison wieder. 

würd ich mir, trotz aller widrigkeiten des heutigen abends (oder vielleicht gerade wegen der), gern nochmal angucken - in diesem fall allerdings beim berg (ich würd die zwei gern mal auf kunstrasen gegeneinander spielen sehen - ohne wind, ohne regen, bei muckeligen 20 grad oder so), weil erstens auf rasen und vor allem zweitens gibt's da dann wenigstens nen Kaffee und ne wurst.















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